Wenn Feuer zur Bestie wird: Klimawandel und Krisenmanagement

John Vaillants Buch „Die Bestie – Wie das Feuer von unserem Planeten Besitz ergreift“ ist nicht nur eine packende Reportage, sondern auch ein Weckruf. Für Feuerwehrleute und Krisenmanager bietet das Buch spannende Einblicke in die Herausforderungen im Umgang mit großflächigen Naturkatastrophen wie dem verheerenden Waldbrand im kanadischen Fort McMurray im Jahr 2016. „Das Biest“ dient als zentrales Beispiel für das, was passiert, wenn Natur, Ölindustrie und Klimawandel aufeinandertreffen.

Der kanadische Umweltreporter und Bestsellerautor John Vaillant berichtet packend über eine der größten Naturkatastrophen Nordamerikas und verdeutlicht die dramatischen Folgen des weltweiten Klimawandels und die mächtige Gewalt des Feuers.

»Eine spannende Reportage, zugleich ein schockierender Ausblick auf eine Welt des Feuers.« ― Sachbuch-Bestenliste DIE ZEIT ZDF DLF Kultur

»Trotz der 500 Seiten wird das Buch nicht langweilig. Als guter Reporter versteht es John Vaillant, seine Leser mitzunehmen (…) mitten in die Katastrophe.« ― DLF Buchkritik

»Fesselnd, faszinierend, verblüffend auf jeder Seite.« ― David Wallace-Wells

»Eine herausragende Leistung, ein immenses Werk voller Recherche, Reflektion und Vorstellungskraft, ein Meilenstein in der Berichterstattung über das Anthropozän. Die Bestie fesselt wie ein Thriller, warnt wie ein Leuchtfeuer und trifft bis ins Mark.« ― Robert Macfarlane

Der Waldbrand von Fort McMurray: Ein Katastrophenszenario

Am 1. Mai 2016 brach ein Waldbrand nahe der kanadischen Stadt Fort McMurray aus. Innerhalb weniger Tage entwickelte sich das Feuer zu einer der größten Naturkatastrophen in der Geschichte Kanadas. Rund 2.400 Gebäude wurden zerstört, und 90.000 Menschen mussten fliehen. Die Gesamtschäden beliefen sich auf geschätzte 9,9 Milliarden kanadische Dollar.

Vaillant beschreibt eindringlich, wie die Stadt, ein Zentrum der Ölindustrie, von einem Feuer überrollt wurde, dessen Intensität die menschliche Vorstellungskraft überstieg. „Die Diskrepanz zwischen der Realität dieses Feuers … und der Einschätzung desselben durch die Führungsriege hatte weniger mit den Informationen oder der Einstellung der Menschen zu tun als mit dem Vorstellungsvermögen,“ schreibt Vaillant.

Fotos: Troy Palmer

Der Zusammenhang zwischen Ölindustrie und Bränden

Fort McMurray liegt im Herzen der kanadischen Teersandindustrie, einem Symbol für die globale Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Vaillant zieht eine Verbindung zwischen der Ausbeutung der Natur und den Bränden, die durch den Klimawandel immer intensiver werden. „Das Feuer in dieser Stadt … zeigt die positive Rückkopplung zwischen der überstürzten Ausbeutung von Kohlenwasserstoffen … und der Erwärmung unserer Atmosphäre“.

Die Industrie trug durch den Ausstoß von CO2 und die Abholzung von Wäldern zur Entstehung eines „neuen Planeten“ bei, wie Vaillant es nennt: „Dies ist ein neuer Ort – ein Feuerplanet, den wir geschaffen haben, mit einer Atmosphäre, die der Verbrennung förderlicher ist als je zuvor in den letzten drei Millionen Jahren.“

Unseren beispiellosen Erfolg verdanken wir Menschen zum einen dem Beherrschen des Feuers und zum anderen der Ausbeutung fossiler Brennstoffe in all ihren Formen.

JOHN VAILLANT, DIE BESTIE

Klimawandel: Der Brandbeschleuniger unserer Zeit

Der Klimawandel beeinflusst das Verhalten und die Intensität von Bränden weltweit auf dramatische Weise. Höhere Temperaturen, längere Dürreperioden und veränderte Niederschlagsmuster schaffen Bedingungen, die Brände begünstigen. Vaillant beschreibt, wie die Häufigkeit von Blitzeinschlägen – neben menschlichen Einflüssen eine der Hauptursachen für Brände – mit jedem Grad Erwärmung um 12 Prozent steigt. Zudem führen trockenere Brennstoffe und höhere Temperaturen zu explosiveren Bränden, die schwerer zu kontrollieren sind.

Ein Deputy Firechief aus Kalifornien bringt es auf den Punkt: „Früher dauerte die Brandsaison von Mai bis Oktober. In den letzten zehn Jahren hat sie sich nicht nur aufs ganze Jahr ausgedehnt, sondern auch auf vierundzwanzig Stunden“. Diese Entwicklungen erfordern von Feuerwehrleuten und Krisenmanagern eine völlig neue Herangehensweise an Prävention und Bekämpfung.

Brände erzeugen außerdem immer öfter ihr eigenes Wetter, wie Vaillant beschreibt: „Je intensiver die Brände, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie ihr eigenes Wetter in Form von Wind und Glutwolken erzeugen, die wiederum Feuerwirbel, Tornados und weitere Blitze erzeugen können“ (S. 408). Diese Rückkopplungsschleifen führen zu immer größeren und unberechenbareren Katastrophen.

Je trockener und heißer Torfmoore und Wälder werden, desto leichter lassen sie sich durch Blitzschlag und andere Mittel entzünden, und je milder der Winter, desto früher in der Saison geschieht dies. Je trockener der Brennstoff und je heißer die Luft, desto explosionsartiger sind die Brände, desto intensiver brennen sie, desto schwieriger sind sie zu löschen, und desto wahrscheinlicher ist es, dass sie ihr eigenes Wetter in Form von Wind und Glutwolken erzeugen, die wiederum Feuerwirbel, Tornados und weitere Blitze erzeugen können, was zu noch mehr Bränden führt, die so lange andauern, wie es die Brennstoff- und Wetterbedingungen erlauben.

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Lehren für das Krisenmanagement

Vaillants Buch legt Schwächen in der Krisenkommunikation und -koordination offen. Ein Beispiel ist mangelhafte Informationsweitergabe während des Feuers: „Anstatt durch die Organisationsstruktur der Einsatzzentrale vom drohenden Übergreifen des Wildfeuers auf Fort McMurray alarmiert zu werden, erfuhr der Binsatzleiter der Regional Municipality of Wood Buffalo (Darby Allen) durch öffentliche Meldungen in sozialen Medien vom Wildfeuer in der Gemeinde.“.

Krisenkommunikation:
Vaillant beschreibt die Schwierigkeit, über „eine furchterregende Sache, ohne Angst zu verbreiten“ zu sprechen. Es bedarf klarer, konsistenter Kommunikation, die sowohl die Dringlichkeit der Lage als auch Handlungsmöglichkeiten vermittelt. Feuerwehrleute und Krisenmanager müssen hier den Balanceakt meistern, die Bevölkerung vorzubereiten, ohne Panik auszulösen.

Und es gab eine weitere Erschwernis: Wie spricht man über eine furchterregende Sache, ohne Angst zu verbreiten? Wie macht man die Öffentlichkeit in einem Atemzug auf eine schreckliche Möglichkeit gefasst und ermutigt sie im nächsten, ihren Alltag zu bewältigen? Kann man Menschen darauf vorbereiten, um ihr Leben zu rennen, ohne Panik zu schüren? Dieses Dilemma war der Elefant im Raum.
[…]
Obwohl die Pressekonferenz um 11:00 Uhr warnen und informieren sollte, schien sie die gegenteilige Wirkung zu erzielen: Es fehlte das entscheidende Gefühl der Dringlichkeit.

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Krisenmanagement: Das Ereignis zeigt die Grenzen gängiger Vorgehensweisen auf. Vaillant zitiert einen Feuerwehrmann, der sagte: „Normalerweise handhaben wir die Dinge nach dem Blue-Card-System, aber bei diesem Brand war es so: »Okay, Leute, werft die Lehrbücher ins Feuer, denn für mehr taugen sie im Moment nicht.«“. Moderne Krisen erfordern dynamische Systeme, die auf unvorhersehbare Eskalationen reagieren können.

Das Lukrez-Problem:
Vaillant verweist auf die menschliche Unfähigkeit, sich unbekannte Szenarien vorzustellen. Dies führe dazu, dass Daten zwar vorhanden seien, aber nicht interpretiert würden. Dieses Dilemma müssen Krisenmanager überwinden, um proaktiv handeln zu können.

Das Lukrez-Problem wurzelt im Wesentlichen in der Schwierigkeit des Menschen, sich Dinge außerhalb seiner persönlichen Erfahrung vorzustellen und in die Realität einzubeziehen. Hundertprozentige Feuerwetterbedingungen im heißesten und trockensten Mai der Geschichte nach zwei Jahren Dürre in einem so plötzlich zur Großstadt geworden Ort, in dem, umgeben von Millionen trockener Bäume, fünfundzwanzigtausend mineralölgefüllte Kisten stehen – so etwas hatte noch kein kanadischer Feuerwehrmann oder Notfallbeauftragter erlebt. Aber das ist die Eigenart der WUI-Brände des 21. Jahrhunderts, und nicht nur in den borealen Wäldern. Die Behörden in Kalifornien, Australien, Griechenland, Spanien, Russland und anderswo befinden sich in derselben Situation – sie stützen sich auf veraltete Konzepte, auf das, was sie bereits erlebt haben, und berücksichtigen nicht, wozu Feuerwetter in heutiger Zeit fähig ist. Daten lagen zwar vor, aber sie wurden nicht interpretiert, und dies – das Lukrez-Problem – verschaffte dem Feuer von Fort McMurray einen nahezu uneinholbaren Vorteil gegenüber den Menschen, die es bekämpfen mussten.

JOHN VAILLANT, DIE BESTIE

Fazit

„Die Bestie“ ist ein Mahnmal und ein Leitfaden für den Umgang mit einer zunehmend feuergeprägten Welt. Für Feuerwehrleute und Krisenmanager bietet es wertvolle Einsichten, wie sie sich auf neue Herausforderungen vorbereiten und bestehende Systeme verbessern können. Doch letztlich geht es um mehr als nur um Feuerbekämpfung. Es geht darum, die Ursachen zu bekämpfen, die uns an diesen Punkt gebracht haben – die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und die Missachtung der planetaren Grenzen.

Vaillant schließt mit einer eindringlichen Warnung und es liegt an uns allen, die Konsequenzen zu ziehen – bevor die Bestie vollends die Kontrolle übernimmt:

Die vorsätzliche und andauernde Untätigkeit angesichts der Erkenntnisse der Klimawissenschaft ist unverzeihlich.

JOHN VAILLANT, DIE BESTIE

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