Koalitionsvertrag 2025: Bevölkerungsschutz, Feuerwehr und Krisenmanagement – Chancen, Lücken und was jetzt passieren muss

Der neue Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die Legislaturperiode 2025–2029 liegt vor. Für Fachleute im Bevölkerungsschutz, bei Feuerwehr und Hilfsorganisationen sowie im kommunalen Krisenmanagement lohnt ein kritischer Blick: Welche Weichen werden gestellt? Welche Versäumnisse bestehen weiter? Und wie bewerten Fachkreise, Verbände und NGOs die Vereinbarungen? Dieser Beitrag beleuchtet, mit Unterstützung von ChatGPT, die Lage differenziert – mit Bewertung, Hintergrundquellen und klaren Forderungen.

Bevölkerungsschutz und Krisenresilienz: Politischer Wille ja, aber ohne Tiefenprofil

Der Vertrag kündigt einen „Pakt für den Bevölkerungsschutz“ an, ein „Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz“ (GeKoB) und den Operationsplan Deutschland (OPLAN). Auch das THW und BBK sollen gestärkt, kritische Infrastrukturen in den Fokus genommen werden.

„Wir stärken den Zivil- und Katastrophenschutz in Bund, Ländern und Kommunen […] und schaffen ein Kompetenzzentrum für Bevölkerungsschutz.“

Die politische Stoßrichtung stimmt – aber die Konkretisierung fehlt. Zuständigkeiten, Ressourcen und Standards bleiben vage. Das föderale System wird nicht weiterentwickelt, sondern nur beschrieben. Verbände wie das DRK, die Malteser, Johanniter und ASB fordern ein „echtes Update“ des Zivil- und Katastrophenschutzes: mit definierten Rollen, einer nationalen Plattform Resilienz, regelmäßigen Übungen und einem verlässlichen Förderrahmen.

Sicherheitsexperten kritisieren: „Dass es 16 verschiedene Katastrophenschutzgesetze gibt, zusätzlich der Bund den Zivilschutz regelt, führt zu Uneinheitlichkeit und großen Abstimmungsproblemen.“ Auf dem Papier sei vieles geregelt – aber in der Krise fehle oft ein klarer Führungsrahmen.

Verbesserungsvorschläge:

  • Ausstattungsoffensive für Einsatzmittel, Schulung und Kommunikation
  • Klare Führungsstrukturen bei länderübergreifenden Lagen
  • Bundesweiter Bevölkerungsschutztag mit realistischen Szenarien
  • Einheitlicher Rechtsrahmen statt 16 Katastrophenschutzgesetze + Bundes-Zivilschutz

Feuerwehr und Hilfsorganisationen: Rückgrat ohne Rückhalt?

Feuerwehren, THW und Hilfsorganisationen werden im Vertrag gewürdigt – als Rückgrat der Gefahrenabwehr. Doch es bleibt bei Appellen und vagen Unterstützungszusagen. Der DFV fordert dringend die „Anpassung des Zivil- und Katastrophenschutzes an die Realität komplexer Einsatzlagen“.

Konkrete Forderungen aus der Praxis:

  • Bundesprogramm „Zukunft Feuerwehr“ mit nachhaltiger Finanzierung
  • Nachwuchsförderung (z. B. Kinder- und Jugendfeuerwehren) verlässlich ausbauen
  • Ehrenamt rechtlich und strukturell stärken – Stichwort: Freistellung, Versicherung, Ausbildungszeit
  • Digitale Ausstattung der Leitstellen und Einheiten sicherstellen

Digitalisierung, hybride Bedrohungen und Desinformation

Die Koalition plant mehr Digitalisierung: Frühwarnsysteme, KI-gestützte Lagebilder, interoperable Plattformen. Doch angesichts hybrider Bedrohungen durch Cyberangriffe, Sabotage und gezielte Desinformation ist das nicht genug.

Hintergrund: Organisationen wie das DRK, die Plattform Resilienz und Sicherheitsexperten warnen: Bevölkerungsschutz werde „noch zu stark auf Naturereignisse reduziert“. Themen wie Desinformation, Angriffe auf Energie-, Wasser- oder Kommunikationsinfrastruktur, gezielte psychologische Destabilisierung oder kombinierte Lagen (z. B. Blackout + Cyber + Social Media Panic) werden nicht ausreichend adressiert.

Empfehlungen:

  • Ausbau der Digitalresilienz von BOS und Kommunen
  • Warnsysteme mit Redundanzen (analog, digital, satellitengestützt)
  • Frühwarnsystem für Fake News und Desinformation im Krisenfall
  • Schulung kommunaler Krisenstäbe im Umgang mit hybriden Lagen

Kommunen und Stabsarbeit: Schwächster Punkt der Kette?

Die Rolle der Kommunen wird kaum konkretisiert. Dabei entscheidet sich in den Rathäusern, wie gut Deutschland mit Krisen umgehen kann. Katastrophenschutzpläne, Evakuierungskonzepte, Bevölkerungsinformation, lokale Infrastruktur: All das muss auf kommunaler Ebene vorbereitet, geübt und finanziert werden.

Forderungen der Fachszene:

  • Finanzielle Absicherung der kommunalen Krisenvorsorge
  • Verbindliche Standards für Stabsarbeit und Einsatzführung
  • Interkommunale Übungskonzepte – praxisnah, länderübergreifend
  • Zugang zu Softwarelösungen, Schulungen und technischen Ressourcen

Ehrenamt: Das Fundament bröckelt

Der Vertrag erwähnt das Ehrenamt – doch weder rechtliche Verbesserungen noch verlässliche Fördermodelle werden benannt. Das DRK fordert verpflichtende Resilienzkurse für alle Haushalte, die Malteser sprechen vom „entscheidenden Faktor“ für funktionierenden Bevölkerungsschutz. Die Jugendfeuerwehr mahnt: Ohne Nachwuchs – keine Zukunft.

Was fehlt:

  • Ehrenamtsgesetz Bevölkerungsschutz (Versicherung, Freistellung, Ausbildung)
  • Förderprogramme für Nachwuchsgewinnung und -bindung
  • Öffentlichkeitskampagnen zur Stärkung des gesellschaftlichen Rückhalts

Kritische Infrastrukturen: Angesprochen, aber ohne Durchgriff

Der Schutz kritischer Infrastrukturen (KRITIS) wird im Koalitionsvertrag als wichtiger Bestandteil der Resilienzstrategie genannt – insbesondere im Kontext digitaler Systeme, Energie, Gesundheit und Kommunikation. Doch über allgemeine Absichtsbekundungen hinaus bleibt es unklar, wie konkrete Schutzmaßnahmen umgesetzt und bundesweit abgestimmt werden sollen.

Was fehlt:

  • Eine gesetzliche Verpflichtung zur Risiko- und Verwundbarkeitsanalyse für alle Betreiber
  • Verbindliche Mindeststandards zur physischen und digitalen Ausfallsicherheit
  • Koordination zwischen Bund und Ländern bei sektorübergreifenden Gefahrenlagen
  • Ein integrierter Schutzansatz, der Cyberangriffe, physische Angriffe und Lieferkettenrisiken gemeinsam denkt

Fachpositionen: Der DFV, das Ärzteblatt und die Plattform Resilienz fordern, kritische Infrastrukturen als sicherheitsrelevante Objekte verbindlich in den Bevölkerungsschutz einzubinden – inklusive Transparenzpflichten, Schutzkonzepte und Einbindung in Übungen. Auch der flächendeckende Aufbau von Notfallvorsorgeplänen und Redundanzen (z. B. Notstromversorgung, Ausweichsysteme) müsse konsequent umgesetzt werden.

BOS im Kontext der Gesamtverteidigung

Mit dem Operationsplan Deutschland (OPLAN) und der Integration des Zivilschutzes in die nationale Sicherheitsarchitektur wird deutlich: Die BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) werden künftig verstärkt in ressortübergreifende Lagen eingebunden – auch im Verbund mit Bundeswehr, BSI und BBK. Eine Chance, aber auch eine Herausforderung für Strukturen, Kompetenzen und Ausbildung.

Klimaschutz und Klimafolgenanpassung: Nicht nur Umwelt-, sondern Sicherheitsfrage

Der Klimawandel ist einer der stärksten Treiber für Krisenlagen – von Fluten über Hitze bis hin zu Waldbränden. Doch im Koalitionsvertrag bleibt der Zusammenhang zwischen Klimakrise und Bevölkerungsschutz schwach ausgeprägt.

Was fehlt im Vertrag:

  • Klimafolgenanpassung als strategische Querschnittsaufgabe
  • Frühwarnsysteme für klimabedingte Lagen (z. B. Hitzewellen, Dürre)
  • Infrastrukturförderung mit Klimaresilienz als Kriterium

Forderung aus der Fachszene: Klimaschutz muss Teil der Verteidigungsstrategie sein – nicht nur ökologisch, sondern auch sicherheitspolitisch.

Strategische Chance – oder verpasste Gelegenheit?

Der Koalitionsvertrag 2025 erkennt die Notwendigkeit einer resilienten Gesellschaft. Aber: Er bleibt in weiten Teilen ein politisches Bekenntnis ohne belastbare Substanz. Die Umsetzung bleibt offen, die Finanzierung ungeklärt, die kommunale Ebene unterrepräsentiert.

Aber: Hilfsorganisationen, Feuerwehrverbände und Fachplattformen haben konkrete Vorschläge gemacht. Jetzt braucht es politischen Mut, ressortübergreifende Zusammenarbeit – und die Bereitschaft, Bevölkerungsschutz nicht länger als Nischenthema zu behandeln.

Quellen & weiterführende Links

Offizieller Koalitionsvertrag 2025:

Forderungen und Positionen von Hilfsorganisationen und Fachverbänden:

Fachliche Analysen und Hintergründe:

Weitere relevante Positionen:

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