Böllerwürfe, Raketen, Hinterhalte und Angriffe gegen Rettungskräfte. Die Ereignisse in der Silvesternacht in Berlin und anderen deutschen Großstädten sorgten – zu Recht – für einen Aufschrei. Doch schnell geriet die Herkunft der Täter in der öffentlichen Diskussion in den Mittelpunkt. Welche Rolle die Medienarbeit der Polizei bei der Wahrnehmung der Ereignisse spielt, hat Rosen Steinke in der Süddeutschen Zeitung aufgearbeitet.
Erst war in Berlin von 145 überwiegend ausländischen Böller-Tätern die Rede, doch es sind wohl 38 überwiegend deutsche. Die Medienarbeit der Polizei hat einiges damit zu tun.
Ronen Steinke, Süddeutsche Zeitung
Polizei und Feuerwehr gelten im Journalismus als privilegierte Quellen. Dies bedeutet, dass die Aussagen dieser Behörden oft ungeprüft übernommen werden und somit eine große Macht in der öffentlichen Wahrnehmung von Ereignissen haben. Der Artikel von Ronen Steinke in der Süddeutschen Zeitung zeigt jedoch, dass diese Macht nicht immer zum Vorteil der Öffentlichkeit genutzt wird. Es zeigt sich, dass die Polizei im Umgang mit der Öffentlichkeit oft eigene Ziele verfolgt und die Wahrheit dabei manchmal auf der Strecke bleibt. „Die Polizei hat, wie vielerorts in Deutschland in den vergangenen Jahren, einen starken Apparat aus Pressesprecherinnen und Pressesprechern ausgebaut“, schreibt Ronen Steinke in seinem Artikel.
Laut dem Artikel hatte die Polizei in Berlin zunächst von 145 überwiegend ausländischen Böllertätern gesprochen, die die Polizei und Rettungskräfte angegriffen hatten. Diese Aussage hatte zu großer Aufregung in der Öffentlichkeit und in den Medien geführt. Es wurden Debatten über migrantische Jugendliche als Problem in Berlin geführt und Forderungen nach härterer Gangart gegenüber Störern laut. Jedoch hat sich herausgestellt, dass die tatsächliche Zahl der Festgenommenen nur 38 betrug und dass diese nicht notwendigerweise Beamte angegriffen hatten. Von den Böllertätern waren auch nicht wie ursprünglich behauptet 2/3 ausländisch, sondern 2/3 deutsch. Die Berliner Polizei hat diese korrigierten Informationen erst eine Woche nach den Ereignissen an die Öffentlichkeit gebracht, nachdem die Aufregung bereits ihren Höhepunkt erreicht hatte.
Und sie hätten natürlich schon von Beginn an, am 1. und 2. Januar, die Möglichkeit gehabt zu sagen: Noch können wir leider nicht abschätzen, wie viele Böller-Verdächtige wir wegen Angriffen auf Rettungskräfte in der Silvesternacht festgenommen haben. Erst einmal müssen wir die vielen Meldungen unserer Einsatzkräfte auswerten, die hier langsam eintrudeln. Aber so haben sie das nicht gesagt. Stattdessen: Pressemitteilung, Schlagzeilen, politischer Punktgewinn. In der Welt der Public Relations, im Milieu der Spindoktoren, könnte man anerkennend nicken: Hier hat eine Polizei, die sich gerade im links regierten Berlin nicht immer ausreichend politisch geliebt sieht und die außerdem dauernd um Ressourcen kämpfen muss, eine „kommunikative Chance“ erkannt und sie kraftvoll ergriffen.
Ronen Steinke, Süddeutsche Zeitung
Dieses Beispiel zeigt, dass die Medienarbeit von Sicherheitsbehörden von großer Bedeutung ist und dass es wichtig ist, dass diese Arbeit transparent und ehrlich ist. Eine schnelle und effektive Kommunikation durch soziale Medien und Pressesprecher ist wichtig, aber es ist noch wichtiger, dass die Informationen, die verbreitet werden, korrekt und aufrichtig sind. Wenn die Polizei und Feuerwehr als privilegierte Quelle im Journalismus und bei der öffentlichen Wahrnehmung von Ereignissen dienen sollen, müssen sie sicherstellen, dass sie ihre Rolle verantwortungsvoll wahrnehmen und die Wahrheit immer im Vordergrund steht.
„Klimakleber“ behindern Berliner Feuerwehr
In den Wochen vor Silvester beschäftigte sich die Öffentlichkeit in Berlin stark mit den Klimaaktivistinnen und -aktivisten der „Letzten Generation“, die sich auf Straßen festklebten, um auf die dringende Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen aufmerksam zu machen. Ein Einsatz der Berliner Feuerwehr gerat besonders in den Fokus, als an einem Montagmorgen eine Radfahrerin von einem Betonmischer überfahren wurde.
Ein Pressesprecher der Berliner Feuerwehr gab per Twitter rasch den Klimaaktivisten eine (Mit-)Schuld am Tod der Radfahrerin, indem er behauptete, dass sie durch den verursachten Stau „recht relevante Zeit“ von den Lebensrettern gekostet hätten. Diese Aussage führte zu Schlagzeilen und einem politischen Punktgewinn, aber die Wahrheit des Vorfalls war weit komplexer.
Als sich intern der ärztliche Leiter der Berliner Rettungsdienste zu Wort meldete und Zweifel an dieser schnellen Schuldzuweisung äußerte, wurde er zum Schweigen gebracht. Wegen „laufender Ermittlungen“ wurde den Notärzten untersagt, sich zu äußern. Der Pressesprecher der Feuerwehr twitterte unterdessen munter weiter zu dem Fall, und die politische Führung verlangte nach Zahlen, mit denen sie öffentlich argumentieren konnte.
So werden News produziert, bewusst einseitig in eine bestimmte Richtung. So werden Sicherheitsbehörden instrumentalisiert, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen, natürlich über den Umweg der Medien. Und das ist eine PR-Eifrigkeit, die jenen, die „in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden“ sind, nicht gut zu Gesicht steht.
Ronen Steinke, Süddeutsche Zeitung
Dieser Vorfall zeigt, wie leicht die Wahrnehmung eines Ereignisses durch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beeinflusst werden kann. Umso wichtiger ist es, dass die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Polizei, Feuerwehr & Co. absolut objektiv und faktengetreu erfolgt.
Auch hier gelten die Grundprinzipien der Krisenkommunikation:
- Schnelligkeit (aktiv und frühzeitig)
- Wahrhaftigkeit (sachlich, transparent und wahr)
- Verständlichkeit (kurz, einfach, unkompliziert, bildhaft)
- Konsistenz (einheitlich, koordiniert und kontinuierlich)